Affinity-Marketing: Werbung über Bezugsgruppen

Seinen Ursprung hat Affinity-Marketing in den 1990er-Jahren, als der technologische Fortschritt neue Möglichkeiten eröffnete, um die Reichweite von Marketing-Kampagnen immens zu erhöhen. Dies veränderte die Branche von Grund auf. Über das Internet hatten Konsumenten plötzlich Zugriff auf praktisch alle Produkte auf dem internationalen Markt, was die Anforderungen und Potenziale des modernen Marketings enorm steigerte.

Viele Verbraucher sahen sich jedoch aufgrund der Vielfalt an Angeboten mit einer Informationsüberlastung konfrontiert. Daraus resultierend entwickelten die Nutzer zunehmend Wahrnehmungsbarrieren gegenüber Maßnahmen der Onlinekommunikation. Bei vielen Konsumenten bildeten sich regelrecht innere Blockaden gegenüber Werbung.

Dieses Phänomen zeigt sich besonders deutlich am Phänomen der sogenannten Bannerblindheit. Forscher konnten in Studien beweisen, dass der durchschnittliche Internetnutzer bereits nach wenigen Jahren eine „Resistenz“ gegen die Wahrnehmung von Werbebannern entwickelt. Nachdem Onlinewerbung anfangs noch sehr hohe Reaktionsraten verzeichnen konnte, sanken die Klickraten für Banner und sonstige digitale Werbemittel schon bald drastisch.

Was ist Affinity-Marketing?

Um die Resonanz auf Onlinewerbung wieder zu steigern, müssen Werbende neue Konzepte entwickeln, die die kognitiven Barrieren überwinden und den Verbraucher wieder neugierig machen. Außerdem ist das Ziel, dem Verbraucher Argumente für die Glaubwürdigkeit von Werbung zu vermitteln. Hier setzt das Konzept des Affinity-Marketings an. Eine prägnante Affinity-Marketing-Definition lautet folgendermaßen: Affinity-Marketing umfasst solche Marketing-Maßnahmen, die die Beziehung einer Person zu einer größeren Gruppe mit ähnlichen Interessen nutzen. Im Affinity-Marketing wird also die soziale Eingebundenheit von Individuen in Gruppen genutzt, um eine Werbebotschaft wirkungsvoller zu platzieren.

Funktionsweise und Umsetzung

Für die Durchführung einer Affinity-Marketing-Kampagne ist es grundlegend, eine spezifische Gruppe miteinzubeziehen. Die in Frage kommenden Gruppen nennt man Affinity-Groups – oder auf Deutsch: Bezugsgruppen. Diese bestehen aus Nutzern, die eine Gemeinsamkeit hinsichtlich eines bestimmten Themas teilen – beispielsweise das Interesse an einem bestimmten Hobby oder Produkt. Möchte man mehr Nutzer erreichen, ist es möglich, auch andere potenzielle Interessenten außerhalb der Gruppe zu berücksichtigen. Voraussetzung hierfür sollte allerdings eine gewisse Übereinstimmung mit den Konventionen und Ansichten innerhalb der Affinity-Group sein.

Doch wie funktioniert Affinity-Marketing? Standardvorgehen beim Affinity-Marketing ist es, einen oder mehrere Meinungsführer innerhalb der festgelegten Gruppe zu finden. Die Kommunikation sollte man dann über diese Person beginnen. Im Idealfall hat die Person bereits eine respektierte Position innerhalb der Gruppe inne und genießt ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Affinity-Marketing nutzt soziale Mechanismen, da sich die Gruppenmitglieder mit hoher Wahrscheinlichkeit loyal gegenüber dem Meinungsführer verhalten. Diese Person fungiert nun als Verbindung zwischen den Gruppenteilnehmern und den Initiatoren der Werbekampagne.

Affinity-Marketing nutzt solche persönlichen Beziehungen innerhalb von sozialen Bezugsgruppen, um Einschränkungen in der Wahrnehmung von Werbemaßnahmen zu überbrücken und auf anderem Weg auf das zu bewerbende Produkt aufmerksam zu machen. Parallel hierzu hoffen Werbende, durch die Einbeziehung von möglichst vielen thematisch relevanten Gruppen ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Unter „Affinität“ versteht man im Zusammenhang mit Affinity-Marketing ein Gefühl der Zugehörigkeit unter Gruppenmitgliedern. Merkmale dieser Affinität sind soziale Identifikation und Übereinstimmungen mit geltenden Regeln und Standards innerhalb der Gruppe. Zu unterscheiden ist der Begriff Affinity-Marketing allerdings vom Zielgruppen-Marketing und Nischen-Marketing – diese Bezeichnungen verweisen vor allem auf die Größe einer Gruppe und eventuell noch auf deren Merkmale. Affinity-Marketing hingegen meint auch eine ganz spezielle Technik der Promotion.

Um die Funktionsweise von Affinity-Marketing zu verdeutlichen, eignet sich am besten ein Praxisbeispiel. Folgendes Szenario ist denkbar: Als Ausgangssituation haben wir die Vermarktung eines neuen Produkts, beispielsweise die Vorstellung eines neuen Autos. Dieses Fahrzeug soll nun einer speziellen, vorab definierten Gruppe von Menschen schmackhaft gemacht werden – etwa ein Family-Van für junge Familien. Will man die Popularität des Autos mithilfe der Mechanismen von Affinity-Marketing steigern, wäre es z. B. sinnvoll, den Meinungsführer der Gruppe das Auto testen zu lassen.

Wenn es sich um einen prominenten Testimonial handelt, bekommt dieser das neue Auto kostenlos zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung soll er eine Rezension über seine Erfahrungen mit dem Wagen verfassen und diese mit den anderen Mitgliedern der Gruppe (sprich: jungen Familien) teilen. Im Idealfall berichtet der Prominente über offizielle und/oder private Kanäle wohlwollend über das neue Produkt. Da Gruppenmitglieder ihrem Meinungsführer und seinen Empfehlungen vertrauen, sollte das Produkt nun eine verstärkte Nachfrage erhalten. Dies ist das Ziel von Affinity-Marketing.

3 Methoden des Affinity-Marketings

Diese drei Methoden werden in vielen erfolgreichen Affinity-Marketing-Kampagnen angewandt:

Third Party Endorsement

Der Begriff „Third Party Endorsement“ steht für das Vorgehen, einen Sprecher als Stellvertreter einer Affinity-Group für eigene Marketing-Maßnahmen zu nutzen. Dieser Meinungsführer könnte beispielsweise ein Geschäftsführer, Vereinsleiter oder populärer Sportler sein. Diese Führungspersönlichkeit kommuniziert mit der ausgewählten Bezugsgruppe. Solch ein Leiter der Affinity-Group soll dann die werbende Botschaft in der Gruppe verbreiten. Die Wirksamkeit der Werbung steigt im Idealfall parallel zur Popularität und Glaubwürdigkeit des vermittelnden Dritten (Third Party).

Shared Incentives

Shared Incentives sind ein fester Bestandteil von Affinity-Marketing. Es handelt sich dabei um Leistungen zugunsten einer Gruppe, die dem angesprochenen Meinungsführer sehr nahe steht. Diese Leistungen stehen in keiner Relation zu dem zu bewerbenden Produkt und können sowohl materieller als auch immaterieller Natur sein. Der Meinungsführer verteilt sie an die Mitglieder der Gruppe.

Enhancement Package

Ein Enhancement Package bezeichnet einen Preisnachlass, den man auf die Bedürfnisse eines fokussierten Bezugsgruppenmitglieds abstimmt. Wenn das Gruppenmitglied eine Dienstleistung nutzt oder eine Ware erwirbt, kann er oder sie den Nachlass beispielsweise in Form von Gutscheinen nutzen. Ist diese Maßnahme erfolgreich, verbessert sich langfristig das Image der Marke oder des Produkts.

Die 3 Kategorien von Affinity-Marketing

Im Affinity-Marketing differenziert man die verschiedenen Gruppen hinsichtlich des Ausmaßes an Affinität, das die Mitglieder innerhalb der Gruppe ausleben. Unter Berücksichtigung der Bereiche „Affinitätsstärke“ und „Öffentliches Bekenntnis“ unterscheidet man drei Grade der Affinität:

Wenn man innerhalb einer Gruppe ein hohes Maß an Affinität feststellt und die Mitglieder diese Begeisterung als Bekenntnis auch aktiv nach außen tragen, werden die Gruppenmitglieder als Anhänger mit „echter“ Affinität bezeichnet. Gruppen dieser stärksten Affinitätsstufe sind beispielsweise Vereine oder Berufsverbände. Die Mitglieder von Gruppen dieser Kategorie leben ihre Rolle innerhalb und außerhalb der Gruppe voll aus, da sie oftmals identitätsstiftend und durch ein hohes Maß an Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt ist. Die ausgeprägte soziale Interaktion zwischen den Mitgliedern verstärkt diesen Effekt noch.

Das auffälligste Merkmal der mittleren Affinitätskategorie ist das geringe Ausmaß an öffentlichem Bekenntnis zur Gruppe. Gleichzeitig herrscht aber eine hohe gruppeninterne Affinitätsstärke unter den Mitgliedern, was keinen Widerspruch darstellt. Mitglieder von Bezugsgruppen dieser Art machen ihre Mitgliedschaft in einer Vereinigung für gewöhnlich nicht öffentlich, sondern agieren lediglich unter ihresgleichen. Ein Beispiel für diese Art von Affinitätsgruppen sind etwa Sammler von Antiquitäten oder sonstigen Liebhaberstücken.

Die Gruppe mit niedriger Affinität ist dadurch charakterisiert, dass ihre Affinität intern und extern nur marginal existiert. Das bedeutet, dass es nur einen schwachen inneren Zusammenhalt unter den Mitgliedern gibt und dass die Gruppe so gut wie kein öffentliches Bekenntnis für ihre Zusammengehörigkeit propagiert. Ein gutes Beispiel für die niedrige Affinitätsdimension sind die Nutzer von Bonusprogrammen, wie sie u. a. Fluggesellschaften anbieten. Sie nutzen die Vergünstigungen innerhalb ihrer Gruppe, aber es verbindet sie keine soziale Komponente untereinander.

Jede dieser Gruppen unterscheidet sich auch hinsichtlich der Beeinflussbarkeit ihres Kaufverhaltens. Es ist schwieriger, eine Gruppe mit niedriger Affinität zu einem Kauf zu bewegen als eine Gruppe mit stark ausgeprägter Affinität. Die angewandten Werbemaßnahmen muss man gezielt an die Bedürfnisse der anvisierten Gruppe anpassen und die Methoden des Affinity-Marketings entsprechend in seine Kampagnen integrieren.

Die 5 Erscheinungsformen von Affinitätsgruppen

Um Affinity-Marketing noch effektiver zu gestalten, empfiehlt sich in der Konzeptionsphase eine genauere Einordnung innerhalb der unterschiedlichen Phänotypen der drei Affinitätskategorien. Unterschieden werden fünf Arten von Affinitätsgruppen:

  • Affinitätsgruppen, die auf kollektiv verfolgten sozialen Interessen bzw. Aktivitäten in der Freizeit (z. B. Sportarten) basieren
  • Affinitätsgruppen, die auf demografischen Merkmalen basieren
  • Affinitätsgruppen, die sich aus Mitgliedern derselben Verbände oder Betriebe zusammensetzen
  • Affinitätsgruppen, die sich durch gemeinsam gelebte Ideologien, Werte oder Glaubensbekenntnisse definieren
  • durch Marketing induzierte Affinitätsgruppen

Die genaue Analyse und das Verständnis der drei Affinitätskategorien und der fünf Erscheinungsformen von Affinitätsgruppen sind grundlegende Vorrausetzungen für erfolgreiches Affinity-Marketing. Sobald die Zielgruppe und ihr Phänotyp festgestellt wurden, lässt sich die Kampagne auf deren Bedürfnisse ausrichten.

Die Relevanz von Affinity-Marketing fürs Onlinemarketing

In diversen Disziplinen des Onlinemarketings sind die Mechanismen des Affinity-Marketings fest verankert. Zu diesen Teilbereichen gehören nahezu alle werberelevanten Maßnahmen innerhalb von sozialen Netzwerken. Längst sind die großen Suchmaschinen mit Social-Media-Profilen vernetzt und Nutzer bekommen online vor allem Werbung für Produkte zu sehen, die zu ihrem Kaufverhalten passen. Auf Algorithmen basierende Prozesse regeln das vollautomatisch. Webseitenbetreiber implementieren thematisch relevante Banner mit Verlinkungen zu den entsprechenden Angeboten. Den Erfolg der Werbebanner bewertet man anhand des Klickverhaltens. Letztlich zählen aber die Verkäufe, die der Besucher nach dem Klick auf die Werbung tatsächlich abschließt (Stichwort Conversion-Rate).

Auch das Surfverhalten der potenziellen Kunden kann man durch geschickt platzierte Hyperlinks an thematisch passenden Stellen gezielt beeinflussen. Auf diese Weise nutzen Sie die Affinität des Users, um Faktoren wie Verweildauer, Seitenaufrufe oder Klickraten zu erhöhen.

Im Bereich Social Media hat Affinity-Marketing eine hohe Bedeutung. Millionen Menschen organisieren sich in den sozialen Netzwerken in Gruppen, um Erfahrungen, Meinungen und Erlebnisse zu teilen. Diese Bezugsgruppen sind ein interessantes Ziel für Marketing-Kampagnen. Allerdings ist hier auch Sensibilität gefragt, denn Privatpersonen, die sich über gemeinsame Interessen austauschen, wollen nicht durch offensichtliche Werbung belästigt werden. Social Media rückt deshalb verstärkt das Third Party Endorsement in den Vordergrund: Ziel der Werbenden ist es, glaubwürdige Personen mit vielen Followern für Kooperationen zu gewinnen, um die Reichweite der eigenen Kampagnen zu erhöhen.

Die Tools für Affinity-Marketing decken dabei immer mehr Funktionen ab: Einige spezialisierte Tools wie NetGenesis und NetAnalys analysieren beispielsweise das Onlineverhalten von Einzelpersonen unter Einsatz spezialisierter AI-Software, um die Personalisierung von Werbebotschaften immer mehr zu perfektionieren.

Affinity-Marketing begegnet einem im Onlinebereich also immer häufiger. Da die Methoden vielschichtiger und unauffälliger werden, sind die Grenzen zwischen Werbung und informativem Content immer schwerer zu ziehen. Dieser Trend lässt sich nutzen, um die eigene Brand-Identity beispielsweise über große Sportevents oder Konzertreihen weiter auszubauen.